Alltagslied – Heiliglied


Weitergesponnene Grenzverwischung. Im Schmarrnbuch beschreibe ich eine stinklangweilige Situation bis ins kleinste Detail. Eine Stunde Wartezimmer. Ich beginne vor allem die Geräusche wahrzunehmen und zu beschreiben, weil für´s Auge nichts geboten ist.
Klingelton, die Stille der Leute, Räuspern. Geräusch vom Umblättern der Zeitschriften. Schuhe, tok, tok, tok, draussen Autogeräusche. Rattanstühle, die nicht knarzen. Durchsage – Frau XY, bitte Wartezimmer zwei. Dezentes Plop der Glastüre.
Ich höre ein Alltagslied.

Es trägt mich auf einmal fort, die Geräusche lassen mich in seltsame Gefilde reisen, Zeit verschwimmt. Tut, Tut, Klingelton, Stöckelschuh, Klack, Handtaschen-Zipp, Tastatur, Klingel, Mülltonnenrattern, sechsmal über den Hof, Plop, Schneuzen, Wasserspenderblubbern, rrrit, tik, ssss, schrrrr tik tik ssss …. Frau Skadé, bitte Wartezimmer zwei.
Heute das Heiliglied, Wind, Vögel, Wellen, Blätterrascheln, mein Summen – ich vermische alles miteinander, Lastwagenbrummen zum Mantra, Wind und Mülltonnentöne, Zaubergeflüster und Lautsprecherdurchsagen. Alles sind Klänge. Manchmal folge ich ihnen, ohne zu werten und dann weiß ich nicht mehr, was heilig ist und was nicht.