Die Percht

In der Verbindung mit der mächtigen alten „Göttin zwischen den Welten“, in den Rauhnächten, beim Perchten, lässt sich ein Hauch mehr von Wandlung, von Übergängen, von Winterweisheit erahnen. Die Percht ist eine Seelenbegleiterin – hinüber über die Schwelle, ins Ahnenfeld, auf die Traumpfade, im Fieber, in einer Trance. Sie begleitet uns auf den Wegen ins Leben und hin zur Tödin.

So wild sie übers Land fegt, so mild ist sie zu allem, was gestorben ist oder sterben will. Sie nimmt sich der gestorbenen Kinder an und wandert mit dem langen Zug der Seelchen durchs Winterland. Dazu gehören auch unsere gestorbenen Träume und Projekte, all die Verluste, hier eine gestorbene Hoffnung, da eine verlorene Geschichte. Sie sammelt alle ein und zieht mit ihnen durchs weite, weiße Seelenland. Sie gibt ihnen einen Platz und manchmal wächst dort eine Blume oder ein Baum. Oder sie wählen auf ihrer Wanderreise mit der Percht eine neue Heimstatt aus, eine Mutter, die sie ins Leben hinein gebiert.
Wenn wir etwas sterben lassen müssen, führt uns die Percht durch die dunkle Nacht. Sie hilft uns, etwas Ur-Menschliches anzunehmen – unsicher zu sein und ratlos, unwissend und tastend, sehnsuchend und fallend. Sie lehrt uns, Tod als Teil des Lebens anzuerkennen.

In uns allen ist schon viele Male etwas gestorben – Ideen, der Wunsch nach einer großartigen Liebesbeziehung oder die Sehnsucht nach freien Alleinwegen, nach einer Berufung, nach Sicherheit oder, dass die Katze dreißig Jahre alt wird. Lebensträume, Frieden mit etwas, die kollektive Aufarbeitung von gesellschaftlichen Verwerfungen … vieles mussten und müssen wir loslassen.
Wenn ich in den Rauhnächten weiße Speisen für die Percht, die wilde Jagd, den langen Zug der Seelchen vor die Haustüre stelle, dann weiß ich, dass es auch für meine gestorbenen Geschichten ist. Und die, die noch umhergeistern, vertraue ich der Percht an, damit sie sich ihrer annimmt und sie an stimmigen Orten und auf guter Erde wiedergeboren werden können.

Manchmal klopft es in den Rauhnächten an mein Fenster und ich sehe etwas, das mir zulächelt. Es könnte ein neues Projekt sein, ein alter Traum, sogar eine Katze hat mal geklopft. Wenn ich die Türe öffne ist es sowas wie ein Mutter-Ja für ein neues Spirit- oder Katzenkind. In den Rauhnächten ist es nochmal anders, weitreichender, auf ein Klopfen zu lauschen.