Biographie-Ritual

Alte Bilder aus jungen Jahren wieder herausgeholt. Jahrzehnte später darauf geschaut. Neubewerten. Manch Wertvolles entdecken, weil der Blick es in größere Zusammenhänge stellen kann und weite Lebensbögen überblickt. Manch anderes zurechtrücken.

Über das Schwarz-Weiß von früher legt sich gold-oranger Schellack. Es wird weicher. Das Schwarz wird tiefer dadurch und der Blick auf die Ränder wird schärfer. Immer wieder der beherzte Schnitt. Die Schere schneidet scharf, wie der Blick.

Ich mag auch das anschließende Papiertonnen-Ritual. Die Teile, die ich entfernt und losgelassen habe in die Tonne leeren. Dann das Geräusch, wenn ich sie auf die Straße rolle. Das, was ich nicht mehr brauche entfernt sich. Dann die Leerung, der ich manchmal zufällig beiwohne. Und zuletzt die leere Tonne zurückbringen. Spüren, wie leicht sie sich fährt, wie anders der Klang ist. Dann steht sie ganz ruhig – ein Gefäß, das bereit ist für Neubefüllung.