Was, wenn die lange Weile bleibt und ich nicht weiß, was ich tun soll? Was sagen, was tun, was zeichnen – was überhaupt. Irgendwas wiederholen? Was, wenn mich alles langweilt, wenn es so richtig fad ist? Wenn was Neues, Unbekanntes nicht in Sicht ist? Ich bin bereit, ich würde springen. Wenn aber keine Klippe da ist, kein Loch, keine Hürde? Auf dem flachen Boden stehen und kühn springen, einen Meter weiter und landen. Das ist nicht unbedingt eine kurzweilige Angelegenheit. Der Verlust des Gleichgewichts ist beim ebenerdigen Sprung nicht wirklich gefährdet. Stolpern könnte ein Mißgeschick sein und die Gesamtsituation etwas aufregend machen. Also was tun? Es ist Contraryzeit. Weil der Sebstoptimierungswahn keine Fad-Zeiten erlaubt und ich sie dennoch des öfteren durchwandere.
Rückwärts springen vielleicht und dabei den Rock zerschneiden, mit geschlossenen Augen. So als Art Selbstbespaßung. Das könnte mir noch am ehesten gefallen.
Wild und hemmungslos ins Gewand reinschneiden, während ich es anhabe und im Supermarkt-Stehcafé sitze. Einreißen und ganz normal weitermachen. Vom Chaos zum Neuen, inklusive Bezeugung von Anwesenden im Stehcafé, so eine Art Alltagsperformance. Ich könnte Wachs reinträufeln. Apropos, auch anbrennen wäre was. Verrückte Geklecker-Muster entwickeln, etwas auftrennen, lose werden lassen, der Auflösung beiwohnen. Weil mir öfter mal gewandmäßige Selbstsabotage-Akte gelingen wie Löcher, Risse im Hängenbleiben, Farbspritzer, Rotweinflecken und ähnliches, bin ich eine Meisterin der Applikation geworden. Ich verstehe mich auf die Neugestaltung von Kleidung und auf die Asymmetrie. Das kommt vom schräg Geschnittenen, wenn ich mich vermessen habe. Belüftungslöcher einschneiden, Rocksaumnotizen in den angesengten Saum, bemalen, bekrikseln, das Gewand verkehrt herum tragen, alles Mögliche und Unmögliche darauf nähen, Tagebuch-Applikationen antackern oder kleben. Ein Gewandtagebuch, ein Tagebuchgewand. Wie herum ist egal. Ein Merk-würdig-Gewand oder eines der seltenen Samen, mein Selt-Sam-Gewand. Vielleicht gebiert sich all das aus der langen Weile und dem Fadsein und dem nicht Selbstoptimierten. Verrücktheiten könnten uns vor dem Wahnsinn bewahren, wer weiß.