Gewandgeschichten
Konsumverzicht kann ein mächtiger Akt des Widerstands sein, um für den Wandel zu gehen. Irgendwo anfangen. Ich habe das Textile gewählt. Im Zuge des Auslichtens und Neuerwerbens schaue ich darauf, welches Gewand dazu angetan ist, mit mir eine Geschichte leben zu wollen und andersrum. Mit welchem Teil will ich in Beziehung gehen? Mit welchem Gewandteil verbindet mich wirklich was?
Tragen schafft Verbindung, genauso wie befühlen, es spüren, gemeinsame Ereignisse, Mitgestaltung. Es ist wie in Freundschaften und Liebesbeziehungen. Vielleicht ist das Gewand sogar ein Textilkind von mir, selbstgenäht. Der Schöpfungsakt verbindet enorm.
Und wenn ich merke, dass unsere Zeit vorbei ist, lasse ich es ziehen. In Scheunenläden, zu textil-kreativen Freundinnen oder in Bilder und in gänzlich andere Felder. Es darf im Kreislauf bleiben. Weiterverwertet, gewandelt, lebenslang verwertschätzt bis zum letzten Knopf und kleinsten Fitzel. Gwandwandel.

Sie hat ihn geschenkt bekommen, den Kimono. Sie sei manchmal wie ein alter Chinese, sagte man ihr und so ein Kimono gefalle ihr sicher. So wurde sie Meisterin Ka, der alte Chinese, mit den seltsamen Geschichten und dem Tanz mit der Rose, die sich neigt. Im Tanz war sie Doña Flor, aber das war dem Kimono egal. Das Futter innen sah so anders aus als der Aussenstoff. Farblich und auch sonst. Es hätte ein Wendekimono sein können. Hätte. Konjunktive nutzen nur nichts. So blieb das Innere verborgen und die angedeuteten transparenten Blumen dufteten nur zart und türkis durch die Schichten hindurch. Lange lebte der Kimono neben dem Altar. Er verhielt sich immer so, als sei er geweiht. Meisterin Ka mochte das und lächelte ihm milde zu.

Diese Schürze ist nicht dazu angetan, unsichtbar zu sein. Weder über noch unter Wasser. Sie trug stark auf und sie ist teuer gewesen. „Pudrig“ nannte sie jemand. Es war ein elendes Gehadere mit ihr. Schließlich färbte sie noch ab und verlor die Form. Sie gehörte zu den Verdrussteilen, die man besser nie erworben hätte. Es brauchte eine kluge neue Widmung für die Schürze. Und Fuchswege. Wenn es so nicht geht, dann anders. Wenn es hier ärgerlich ist, dann in eine andere Richtung schnüren. „Wer nicht mindestens fünf Möglichkeiten sieht, hat nicht nachgedacht,“ sagte jemand Weises. So wurde die Schürze ein Filmstar und ging für eine Sage baden. Dann wanderte ein Teil von ihr in die Kreativszene ab und wurde ein Mal-Lappen. Die Schürze begann zu arbeiten und war ihr Geld letztlich doch noch wert.

Seine Herkunft ist unbekannt. Es ist ein Zwielicht-Mantel, ein Hauch, ein Überwurf. Sein Einsatz ist meist morgens, wenn in den frühen Stunden seltsame Gedankengespinste herumwabern. Wenn es noch zu früh ist, aufzustehen und zu gedankenwirrig, um weiterzuschlafen. Dann legt er sich seidig zwischen einen und die Gedanken. Sie verflüchtigen sich angesichts des Zwielicht-Firewall-Mantels, als perlten sie ab oder tropften aus dem Körper. Er lässt es offen, ob man sich in den Tag begeben möchte oder noch einmal die Traumpfade betritt. Beides kann er begleiten im Hineingehen. Und nur da. Nach einiger Zeit zieht er sich zurück, er geht weder in die Nacht, noch in den Tag mit. Ob er einmal so unmerklich verschwindet wie er gekommen ist?

„Geschenkt“, sagte sie und schon hatte ich dieses verrückte Teil. Es duftete nach Hippiezeit und erinnerte mich an die Songs und die wilden Feste. Puff the magic dragon – tanzen, philosophieren, lieben, Musi machen, Nächte durchwildern. Schlaghosenweit flatterte das Teil im warmen Maroccowind. Ein bisschen verdrehten sich die Augen beim lange Hinschauen und es war nicht so ganz klar woran es lag, am Muster oder am Rauch. Später haben wir das Dragon-Lied umgeschrieben und gesungen:
Tanz mit deiner Drachin, flieg ins Wolkenweiß (oder aufs´ Meer hinaus) und sing das Lied der freien Frau, die deinen Namen trägt.
Was so ein Gewandteil vermag – beispielsweise immer wieder die uralte Dragon-Freundschaft bekräftigen.
Drei weitere Gewand-Geschichten folgen.