Geflickt

Flicken – ich werde Gewebe, das zerschlissen ist, sichtbar flicken. In anderer Farbe, großzügig und mich im Unvollkommenen und Vergänglichen zeigen. Die alten Kittelschürzen, die ich geschenkt bekommen habe, sind alle geflickt und darin ist eine große Schönheit. Die Zerbrechlichkeit von textilem Material ebenso wie die Risse vom Gewebe der Gesellschaften wollen gewusst und gesehen sein. Kein Verschleiern, kein möglichst perfektes Überdecken von Löchern, Wunden oder Narben.

Mein geflicktes, lange getragenes, geschichtenvolles Gewand ist intimer als perfektes, neu erworbenes. Es braucht ganz individuelle Lösungen für jedes Loch und so wird es immer mehr eine Persönlichkeit mit mehr Ausdruckskraft, ein kostbares Einzelstück. Im Älterwerden bin ich zunehmend mehr bereit, Abnutzung und Auflösung und auch Sterben zu vertragen. Ich werde ja den geflickten Dingen auch immer ähnlicher. Es hat eine Natürlichkeit und darin ist die Wirklichkeit gut eingebettet.

Vergänglichkeit – alle Dinge sind vergänglich und alle Tricks, es nicht wahrhaben zu müssen, brauchen viel Lebensenergie. Genauso das Problem mit der Unvollkommenheit oder Unvollständigkeit – alles hat irgendwie Mängel und Fehler. Flicken ist ein Friedensakt mit dem Unperfekten. Etwas tragen, das die Vergänglichkeit des Lebens verdeutlicht und das genau deshalb so poetisch-zerbrechlich-schön ist.

So wie mein Körper Zeugnis ablegt von den gegangenen Wegen, so ist es auch beim Gewand und auch bei allen anderen Gegenständen um mich herum. Indem ich sie flicke und weiter verwende, wertschätze ich sie.