Manchmal werde ich gefragt, wie es einer, die so sonderbare Dinge tut und so lebt wie ich, in einem kleinen bayrischen Dorf geht. Die Situation hatte ich auch sechzehn Jahre lang in einem kleinen Dorf in Altkastilien. Ich war integriert, werde gelassen, darf verrückte Dinge tun. Wie das?
Vielleicht, weil ich gerne in die Dorfwirtschaften gehe, mit den alten Wirtinnen befreundet bin und gerne auf einen Ratsch mit dem Besen am Zaun stehe. Das, was im Dorf passiert, sehe ich dann auch im Größeren in der Politik, in den Zeitungen. Vielleicht, wenn ich unser Dorf verstehe, verstehe ich auch alles andere.
Meine Närrinnenfreiheit hat auch etwas damit zu tun, dass ich das Etikett Künstlerin habe. Damit bin ich einzuordnen. Mein Tun verliert die Gefährlichkeit, das Fremde, weil es sich im Zweifelsfall um ein Kunstprojekt handelt.
In Spanien habe ich mal zu den Bauern gesagt, dass ich das, was sie tun auch oft merkwürdig finde. Und, dass meine Arbeitskleidung anders aussieht als ihre. Und doch ist es beides Mal Arbeitskleidung. Dass wir alle unsere Arbeit tun und auch nicht immer alles verstehen müssen. So ist langsam Respekt entstanden vor der Arbeit der anderen. Schön war es, als einmal ein alter Schäfer vor meiner geschnitzten Holzstele stand und ewig lange nur geschaut hat. Ich habe ihn heimlich beobachtet und viel später sagte er, dass er da manchmal steht und dann fingen seine Gedanken an hochzuklettern und würden wegfliegen oben.
Als ich in das Dorf hier gezogen bin, habe ich Neugier gespürt, dieses Wissenwollen, die Fragen. Das kenne ich ja von mir, es kommen Neue und ich überlege, was sie wohl machen, wie sie gestrickt sind, wie ihr Lachen ist und wie die Stimme klingt. Und deshalb bin ich los, habe nebenbei am Zaun geredet, mich vorgestellt und schon mal all die nicht gestellten Fragen und in der Luft liegenden beantwortet. Und ich bin ins Wirtshaus, ein Gruß zum muffeligen Stammtisch, ein erster kleiner Plausch mit der Wirtin.
Es müsste ein Buch über Wirtinnen geben, sie haben wirklich was Besonderes.
Ja und seitdem bin ich gerne im Löwen bei der Christa, bekomme alles mit, informiere sie, werde in erlesenen Momenten an den Stammtisch geladen. Und mit einer Freundin aus dem Nachbardorf gehe ich jeden Mittwoch zur Christa zum Essen. Es ist unsere heilige Pause, wenn die Buchbindemeisterin was Kräftiges zum Essen braucht und die Künstlerin Geschichten sammelt.