Wintergewitter und Abendgedanken

Die Rauhnächte bescheren mir viel Nachdenken dieses Jahr. Frauenkreis-Councilthema Anerkennung. Es klingt nach. Zum Beispiel die Aussage, dass Anerkennung, wenn ich sie mir selber gebe, auch von Aussen kommt. Das glaube ich nicht. Nicht zwingend. Natürlich ist es wichtig, dass wir uns selbst zutiefst wertschätzen, anerkennen, wer wir sind. Ich denke aber nicht, dass das automatisch die Wertschätzung von Aussen nach sich zieht. Und wenn das ein Glaubenssatz ist, kann er zur Falle werden.
Ich sehe, dass in unserer Gesellschaft vieles, egal wie wertschätzend ich es betrachte, keinen Wert hat, nicht gefragt ist, keine Anerkennung erfährt. Diese Tatsache klar zu sehen und anzuerkennen, entlastet mich mehr, als auf die Aussenanerkennung zu warten. Wenn ich mit mir zufrieden bin, ist der Folgeschluss, dass dann wertschätzende Spiegel kommen, nicht zwingend. Das ist den Wünschen ans Universum ähnlich. Ich glaube auch nicht, dass es darum geht, dass „Es“ mir alle Wünsche erfüllt. Dass es mich liebend spiegelt und, wenn ich alles richtig mache, jede Unterstützung gibt. Glaub ich nicht. Weil es für mich gar nicht darum geht. Wenn ich anerkenne, dass unsere Gesellschaft, was Wertschätzung betrifft (unter vielem anderen), eine zutiefst kranke Gesellschaft ist, dann hoffe und erwarte ich auch nichts an bestimmten Punkten. Und der klare Blick darauf bringt mich aus der Schuldfalle, dass ich halt nicht richtig gewünscht habe oder mich selber nicht genug anerkenne oder, oder, oder. Es könnte mich auch politischer machen, ha, züntig vielleicht sogar.
Die Rauhnächte und das Alter stimmen mich radikaler. Kommt gut. Ein Begleitbild von früher, aus verwurzelt fliegen weht her.

Im roten Mantel eilt sie über die Straßenkreuzung, festen Schrittes, in abgelaufenen Lederstiefeln. Drei Hüte übereinander, mit Federn geschmückt. Coladosen um den Hals und Knochen klingen gegen kleine Schellen. Lange, weiße Haare fallen über selbst verliehene Orden am Revers. Der lila Schal weht im Wind. Lose baumelt ein Messer am Gürtel. Eine Rose schaut aus der Tasche, einen Laptop hat sie drin, feine Badezusätze und eine Zigarre. Sie pfeift ein Lied vor sich hin und der weise Leichtsinn sitzt auf ihrer Schulter. „Mach dir nichts vor,“ lacht sie, „dafür ist das Leben zu kurz.“