Kunst im Werkzeugkasten

Dort, wo es trägt, wo Gemeinschaften heil sind, haben sie immer Kunst in ihrem Werkzeugkasten. Mit den Mitteln der Kunst wird etwas ausgedrückt, übersetzt, vermittelt, gewandelt, geheilt, Leben gefeiert, Verbindung aufgenommen … Mit großer Selbstverständlichkeit werden Herausforderungen, Wandelzeiten, Neues, Verabschiedungen, Emotionen, das Leben selbst besungen, getanzt, gemalt, dargestellt, weitergegeben. Schamanische Kunst ist lebendiger Teil des MIteinander.
Wir könnten zum Beispiel unsere Unstimmigkeiten – nett ausgedrückt – tanzen statt sie verbal einander vor die Füße zu legen. Ich stelle mir gerade vor, wie der Tanz meiner erzürnten Widerspenstigkeit aussehen würde. Das Übersetzungs-, Lebens-, Mittlerwerkzeug Kunst zum Einsatz bringen. Wut tanzen, Beleidigungslieder und Moritatengesänge, schamanische Dichtkunst, wenn es schon Worte braucht.

In Ermangelung eines Gegenübers, auf das ich erzürnt bin, wende ich mich einem anderen Kunstprojekt zu.

Alte, große Bücher, Collage, Kleber, Stifte und die Kiste mit den gesammelten Briefen und Postkarten. Ernte verwerten. Die Bücher werden Postsammelstellen. Ich klebe all das rein, was ich so lange gehütet habe in der Schachtel – Kuverts, Gemaltes, Blütenblätter, Bilder und Geschriebenes. Viele Menschen, Wünsche, Segen … Ich kann in den Büchern beim Durchblättern mein Netz sehen, spüren, riechen. Manche Briefe duften.

Es macht das Netz sichtbar von Menschen, die in vielen Jahren einen Faden zu mir gesponnen haben, den Heimatfaden in die spanischen Sommer, Freundschaftsfäden, Erinnerfäden, ins Morgen ausgeworfene Fäden. Es sind sehr pulsierende Bücher.

Ich lese mich ein, manchmal klebe ich die Schrift nach oben, manchmal nach unten, manchmal reicht ein Fitzerl vom Brief, einiges überlagert sich. Da ist alles. Farben, Muster, Tupfer gebe ich dazu, schreibe selber rein, verknüpfe lose Teile. Wünschegeflechte, Segensteppiche, Erfreunisgespinste, Lebenswortelixiere.