Im Moment bekommen wir unzählige Geschichten zu hören. Da frag ich mich:
Wer erzählt uns was aus welchem Grund?
Was machen diese Geschichten mit uns?
Gibt es Varianten und ist es erlaubt oder sogar gewollt, dass verschiedene Menschen aufgrund ihrer verschiedenen Erfahrungen und Erkenntnisse andere Facetten und andere Wahrheiten zu einer Geschichte erzählen?
Das wäre ja dann sowas wie eine bunte Diskussionskultur.
Oder darf es nur eine Version sein?
Viele Menschen sind mutig über lange Zeit für die Freiheit und die Vielfalt gegangen und haben es sich einiges kosten lassen. Das ist was wert, das möge uns erhalten bleiben. Wie sehr wünsche ich mir, dass wir wach bleiben und mutig, dass es unterschiedliche VertreterInnen gibt für vieles und sie alle gehört werden mit ihren Geschichten.
Ich wäre eine, die für die Freiheit geht, da müsste auch die Gesundheit einen Schritt zurücktreten. Eine andere geht für die Freude, einer für die Wahrheit, ganz viele gerade für die Gesundheit.
Ich horche mir die Geschichten zum Coronavirus an, die Schöpfungsgeschichte, dann die Teile des „Stealing Fire“ etc. – wir alle weben mit an dieser Geschichte und ich bin sehr gwundrig, wie sie sich entwickelt. Das wird an uns liegen. Horchen wir doch mal sehr genau darauf, was wer erzählt und was es mit uns macht oder nicht. Welchen Geschichten glauben wir, welche machen wir zu unseren, welche anderen hätten wir zu bieten?
Gute Geschichten können inspirieren, heilen, trösten, helfen, beruhigen, einschlafen lassen oder wach machen. Sie versöhnen, sie wecken die Neugier, locken oder spiegeln. Sie können Distanz zu etwas Schwierigem schaffen. Sie helfen zu reflektieren und zu lernen, sie bringen Lösungen, zeigen Perspektiven, klären auf, laden ein, machen Schätze und Potenziale zugänglich. Sie führen ins „Wir“, weil andere die Themen auch kennen und sie helfen beim Erinnern. Gute Geschichten vermögen es, uns aus den erstarrten und einsamen Gebieten herauszuführen.
Eine Geschichte kann alles berühren und verändern.
Sie kann die Welt verändern.
Geschichten können Brücken bauen, über die wir in etwas ganz Neues gehen können, neues Land betreten. All das gehört zur Geschichtenheilkunst, der narrativen Heilweise. Mit Geschichten weben wir Wirklichkeiten. So verändern und heilen wir Wirklichkeit.
Und es braucht die vielen verschiedenen Geschichten und die vielen Fragen. Das Hinterfragen. Das Abwägen.
Die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen und welche überhaupt, spiegelt unsere Welt wieder. Geschichten sind die Drehbücher unseres Lebens. Sie haben einen großen Einfluss auf alles. Lasst uns die Geschichten anschauen, die gerade so herumschwirren.
Welche Geschichten werden erzählt?
In welchen Geschichten sind wir zu Hause?
Welche Geschichten binden die Lebensenergie und welche haben das Potenzial, von unserem Menschsein auf diesem Planeten so zu erzählen, dass sie uns in eine gute Zukunft tragen?
Mit unseren Geschichten erschaffen und vergrößern wir Heilsein oder Imbalancen, Lebendigkeit oder Versehrtheit. Wir gehen diese oder jene Wege. Unsere Menschheitsgeschichten sind gerade alles andere als lebensdienlich. Sie bedürfen vieler neuer Geschichten voller Heilkraft. Als Teil der jüngsten Geschichte der Menschheit sind wir alle gefragt, an den neuen Geschichten für eine tragende Erdengemeinschaft und ihre Zukunft mitzuwirken. Irgenwie ist es eh gerade historisch, eine gute Zeit für neue Geschichten.
Geschichtenheilende sagen, wenn die Geschichte und die Problematik miteinander verbunden sind, dann hilft es, die Geschichte zu diagnostizieren. So verstehen wir unsere Wirklichkeit. Dann werden wir auch all die Verflechtungen erkennen, die in der Geschichte wirken.
Was für eine Geschichte erzählen wir denn gerade?
Wie nehmen wir die Welt wahr?
Das zeigt sich doch darin, welche Geschichten wir erzählen. Was ist unser Platz, unsere Identität in unseren Geschichten? Wir SIND ja unsere Geschichten. Wenn wir sie kennen, können wir sie verändern. Geschichten sind Informationspakete. Sie sind reicher und vielschichtiger als Fakten. In Geschichten verbinden sich ansonsten lose, unverbundene Einzelheiten zu einem komplexen Gesamtgefüge. Geschichten befähigen uns, die verschiedenen Aspekte unserer Erfahrung zu verknüpfen.
Heilkunst ist es, die Geschichte zu verändern und somit die Wahrnehmung. Diese wiederum trägt uns zu veränderten Erfahrungen und weiter zu einem veränderten Geist. Dem wird die Form folgen, die Systemveränderung.
Geschichten sind die großen Wandlerinnen. Wir sind gefragt, als aktive Geschichtenerzählende.
Heilsame Geschichten tragen eine Weisheit in sich.
Sie sind organisch, sie wissen um Prozesse und ehren diese.
Sie kennen die Vielfalt.
Sie erzählen von Verbundenheit, von lebendigen Systemen, vom Sowohl-als-auch.
Sie kennen das „Mit“ – die Mitwelt, das Miteinander, das Mit-Sein. Alles hat ihren oder seinen Platz in ihnen.
Sie sind komplex und offen.
Das Freie wohnt in ihnen und sie sind zutiefst lebendig.
Spielerisch sind mache, was sehr guttut, tastend, Wege erspürend.
Das Forschen ist in ihnen beheimatet und der Humor.
Sie haben eine Weite, in der es sich tief atmen lässt.
So sind Heilgeschichten. Es lebt sich gut in ihnen. Alles in uns spürt und weiß das, wenn wir sie hören. Heilgeschichten tragen auch die Weisheit gelebter Zeiten in sich. Sie kennen die Blueprints der kraftvollen Mythen.
Sie kennen die alltägliche Wirklichkeitsebene genauso wie die Weiten und Weisheitsquellen der nichtalltäglichen Wirklichkeitsebene. Was käme denn heraus, wenn die EntscheidungsträgerInnen auch mal schamanisch reisen würden und, weil sie im Alltäglichen keine guten Antworten finden, ihre Geister fragen? Die Bäume? Ihr Krafttier? Zu den Nachfahren reisen würden? Zu denen, die vor uns waren und mit ihrer Weisheit etwas beisteuern könnten? Jeden Morgen im Bundestag erstmal eine schamanische Reise, dann besprechen und abwägen, alles zusammentragen – die Virologen (die wir übrigens nie gewählt haben) raus zu den Pflanzen und um Antworten fragen, die vom Robert-Koch-Institut zu den Steinen und orakeln lassen. Also andere Weisheitsquellen anzapfen, wenn die der alltäglichen Wirklichkeitsebene nicht ausreichen für so große und weitreichende Themen. Und dann Geschichten in die Welt bringen, die alle Informationen enthalten, wie wir diese Weisheit nutzen können und wie sie uns bei unseren Entscheidungen hilft.
Heilgeschichten zu entwickeln ist eine Kunst, die wir jetzt brauchen. Die eigenen, wahren Geschichten erzählen. Die Geschichten, die von aussen kommen genau abklopfen auf ihre Medizin oder ihre Unbekömmlichkeit. Es braucht unser aller Geschichten und alle Weisheitsquellen aus allen Ebenen für eine Menschheitsgeschichte, die trägt, die eine Zukunft hat.