Im Zuge des Auslichtens

Vieles loslassen, Materie, Konzepte, Bilder von mir und der Welt. Im Zuge des Auslichtens stolpere ich immer wieder über Leichen. Es sind Projektleichen. Sie liegen in Schubladen oder ganz hinten im Gedankenschachterl, mache sind recht aufgeräumt, andere recht chaotisch. An manche erinnere ich mich nicht mal mehr. So richtig beerdigt und losgelassen habe ich sie aber dennoch nicht. Es wird Zeit.
Die Hoffnung auf Reanimation darf auch gleich weiterziehen. Ich finde Buchleichen, Performanceleichen, Gartenleichen, Reiseleichen und noch andere. Sie brauchen unmerklich Energie, wenn auch nicht viel. Einige verstehen es sogar, mir ein schlechtes Gewissen zu machen, jedesmal, wenn ich über sie stolpere. Das ist unangenehm und ich ärgere mich über sie und mich.
Ich kündige es an, damit sich alle Projektleichen darauf einstellen können entsorgt zu werden. Manche sind heilfroh, ein paar wenige trauern um sich, aber das ist mir jetzt auch wurscht.
Es gehen welche ins Feuer, für andere zeichne ich ein kleines Bild und vergrabe es oder hänge es in den Wind. Was halt so zu den einzelnen passt. Das „Ein-Sommer-in-Kamtschatka“-Projekt zum Beispiel wird in die ewigen Reisegefilde hinübergesungen. Die Notizen zum Textilbuch wickle ich in ein Tuch und übergebe es dem Feuer. Die Verlegerin hat sich ziemlich erleichtert verabschiedet, indem ich das Närrinbuch zum Verlag gegeben habe. Meine Befürchtung, dass noch Reste von der Doktorin irgendwo hausen könnten, haben sich zum Glück nicht bestätigt. Wer zäh ist, das ist das Manteldesign-Projekt. Es will und will nicht gehen. Da galt es zu verhandeln und unbeirrbar zu bleiben. Eine Projektleiche allerdings ist vor lauter Schreck, dass es jetzt final wird, zum Leben erwacht. Mal sehen, ob sie es wirklich derbläst.

Manchmal tauchen auch noch Geisterbilder auf von mir, obwohl ich sie gut ausgelichtet wähnte. Da hört der Spaß auf, sie sind gleich mit fällig. Für die Geisterbilder ist es Zeit zu sterben. In der Sortierstation sind auch die Etiketten. Sie werden ebenfalls überprüft und ausgelichtet.
Dazu lese ich aus der „Schamanischen Kraft im Alltag“.