Erzählend formen wir Beziehungen. Es ist ein kreativer Akt von Gemeinschaftsbildung. So werden Zusammenhalt, Identität und Stabilität von Gemeinschaften und Kulturen geschaffen. Wie beim Entstehen eines Teppichs verweben sich die Fäden und ergeben ein zusammenhängendes Muster. Gemeinschaften formen sich durch ihre Geschichten. Sie sind Bindemittel, die eine Gemeinschaft zusammenhalten. Unser Leben in Gemeinschaft wird geprägt durch die Gesamtheit der Geschichten, unserer Träume und Hoffnungen, unserer Erfahrungen, unseres Wirkens, unserer Beziehungen, durch die kulturellen Geschichten und die, die über uns erzählt werden. Wir werden die, die wir uns selbst und anderen erzählend beschreiben. So kreiert sich unsere Gemeinschaft.
Gemeinschaft entsteht im Zuhören, im Bezeugen. Das ist etwas sehr Aktives. Zuhören ist wie Erzählen ein aktiver Prozess. Wenn die Zuhörenden mitfühlen, wenn sie lächeln, seufzen oder tief einatmen, dann wissen wir unsere Geschichte gehört und geteilt. Für uns Menschen ist es existenziell wichtig, dass die Geschichten erzählt, gehört, gespiegelt werden. Auf diese Weise fühlen wir uns als Teil einer Gemeinschaft. Gerade jetzt, in diesen Zeiten. Alleine das Erzählen der Geschichten ist heilsam. Was für eine Magie hat der Satz: „Erzähle mir deine Geschichte.“
Ich fände Councils wichtig, in denen die Geschichten der Angst Raum bekommen, weil Angst gerade so viel Raum einnimmt. Ich glaube, sie wollen gehört werden, alle, egal aus welchem Eck. Angst als Zustand ist ja etwas Verbindendes und es entsteht ein anderes Verstehen, wenn ich sehe, dass jemand Angst hat. Damit kann ich anders gehen, auch wenn mir der Grund dafür fremd ist.
Die Geschichtenheilkunst weiß, dass das gemeinsame Geschichtenerzählen der Weg einer heilenden Gemeinschaft sein kann. Wir bekommen gespiegelt, dass die anderen daran glauben, dass wir etwas zu geben haben, dass wir wieder ganz und heil werden können, dass wir wachsen und leuchten werden. Menschen schaffen tiefe Verbindungen untereinander über das Teilen ihrer Geschichten. Es fördert das Gesunden, das Wohlbefinden, das Erblühen von Potenzialen. Das ist eine allerfeinste Medizin. Umso dümmer finde ich es, wenn man ganz vielen Menschen einer Gemeinschaft sagt, dass sie keine Bedeutung haben. Gerade in schwierigen Zeiten würde ich alle ins Boot holen und ihnen sagen, dass jetzt alle bedeutsam sind und etwas zu geben haben. Und, dass die Gemeinschaft auf das Mutigste und Beste von allen hofft, das sie geben können. Die Maori haben erzählt, dass es überlebenswichtig war, dass alle, die ins Boot sind und die lange Fahrt übers Meer von Polynesien nach Aotearoa angetreten haben, mit einem Ja dabei waren. Hol alle ins Boot, nur dann kommen wir an. Ein einzelnes Nein hätte ausgereicht, um niemals anzukommen. Es braucht die Kraft und das Mitgehen von allen. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen, das Ja darf bunt sein.
So geht es auch mit meinen inneren Stimmen, ich mache bei schwierigen Entscheidungen ein Council und setze mich mit ihnen in den Kreis, um alle meine inneren Stimmen zu hören. Das brauche ich bei allen Reisen, sonst käme ich gar nicht weg und genauso bei großen Veränderungen. Am schwierigsten ist es mit dem Weigerl, sie mag ja gar keine Veränderung und überkaupt nicht verreisen. Wenn ich sie nicht ins Boot bekomme, dann boykottiert sie alles und ich habe dann den Dreck im Schachterl. Mit ihr muss ich immer am längsten verhandeln. Erst wenn sie ihr Ja gibt, wird es ein guter Weg.