Heute ist ein Tag, an dem ich Schwellen wahrnehmen. An der Haustüre, den Fenstern, Übergänge. Ich beginne, sie zu fegen, die Zeichen zu erneuern, darauf zu spucken, mit der Katze einfach auf der Schwelle verweilen. Ich räuchere die Schwellen, bei manchen stelle ich ein Salzschälchen hin. Wünsche darüber gesprochen – dass alles, was über diese Schwellen hin- und hergeht, was von mir in die Welt geht und was zu mir kommt, nährend ist und mit einem friedvollen Geist, einem weiten, freien, großzügigen kommt und geht. Dass die Freude Begleiterin ist und manches mehr.
Manche Schwellen sind längst überfällig, was das Reinigen betrifft.
Schwellen, Grenzorte, Geisterorte. Im Altai sollten wir sie nicht betreten, sondern darübersteigen. Orte vieler magischer, ritueller Handlungen. Schutz und Segen, Heilzauber, Orakel verbinden sich mit Schwellen. Ich finde etwas über den Schwellenvogel, den Summer-Sunnen-Suntevogel, ein geheimnisvolles Geisterwesen.
Vielleicht geht es heute um Schwellen, weil Tod gerade vorüberweht. Zwei Katzen aus der Nachbarschaft, der alte, nette Schmied vom Dorf, der Lebensgefährte einer alten Freundin und eben beginnen die Totenglocken zu läuten weil die Zenzi, eine der Dorfältesten beerdigt wird. Es ist nicht ganz nah und doch. Ich merke, wie mächtig diese Schwelle des Sterbens ist, wie herausfordernd. Und wie schnell es gehen kann, an dieser Schwelle zu stehen, zu begleiten, hinüberzuschauen. Ich singe ein bisschen, während ich die Schwellen befühle und neu bespreche. Und vielleicht mache ich heute noch einen Schwellengang, wenn es sich schon so eigenartig auf meinen Weg legt.