Medizinschrank

Werkprozess Medizinschrank. Er steht seit Jahren im Speicher, ein hübsches Schränkchen von einer alten Tänzerin, das auf Umwegen zu mir gekommen ist. Es hat Blessuren, ist lackiert und deshalb nicht leicht zu überarbeiten. Ich liebe gutes Handwerk und bin selber eine richtige Pfuscherin. Der einzig gangbare Weg war der in die Kunst. Es wird jetzt ein Kunstobjekt – Medizinschrank.



Er wird die kostbaren Medizinen in sich aufnehmen und hüten. Die Dose mit den Sommergeschichten, die Flasche mit dem Nordwestwind und das Nordmeerwasser. Den Liter Glückseligkeitsprosecco, eine Spezialmarmelade, Kräuterkugeln, Hüftgold und Danziger Goldwasser von meiner Großmutter. Wurzelsalz ist auch dabei und drei wichtige Sätze. Und noch so einiges.
Altes ehren und renovieren, gerade die „Falten“ der Dinge schön finden und die Kraft wahrnehmen, wenn etwas schon lang gelebt hat. Es beginnt, Persönlichkeit zu entfalten, sich von den einstmals gleichen Produkten zu unterscheiden. Die alten Dinge erzählen viele Geschichten. Der Medizinschrank zum Beispiel die Geschichte der Tänzerin, ihrer Gäste, ihres Hauses. Weil die alten Gegenstände so viel Kraft bekommen können, achte ich darauf, was ich mir einlade. Dieser Schrank passt gut, er bringt den Duft des Lebens der fast hundert Jahre alt gewordenen Tänzerin.
Die Schönheit des Alterns, die Medizin der Unvollkommenheit, gezeichnet, geformt vom Gebrauch, Lackschichten, Patina, Holz, das viel erlebt hat, oft berührt worden ist.
Ich bemale den Schrank, vertusche die Risse nicht, betone sie manchmal oder lenke das Augenmerk auf eine Kerbe und das fehlende Schloss. Ich male mich hinein in eine Wertschätzung meines eigenen Älterwerdens.