Durchlichtungen

Einer Eingebung folgend, putze ich die Fenster, zumindest die allerwichtigsten. Für den Durchblick, den klaren Blick und den scharfen Adlerinblick. Ich will durchschauen können, glasklar bis zum Wald hinter und noch weiter. Weil ich die hohe Kunst des Fensterputzens nicht recht beherrsche, setze ich meist auf eine günstige Mondzeit. Während ich putze, rufe ich den Weitblick und manchmal das helle Sehen. Wenn es getan ist, freue ich mich und schaue gerne lange durch alle geputzten Fenster. Weit kann ich jetzt sehen, ohne Trübungen und nirgendwo verhakt sich der Blick.

Der getrübte Blick auf etwas, das liegt bisweilen am verdappten Brillenglas. Manchmal an was anderem. Weil Ersteres leichter zu beheben ist, probiere ich es immer zuerst mit einer rituellen Brillenputzaktion. Alle Brillen aufgereiht, Putztuch und magische Substanzen wie Wasser und Spülmittel und ein DasGlasistrein,ichsehganzfein-Gesinge dazu. Für die Verbesserung meiner Dichtkunst könnte ich ein Zusatzritual machen. Und, oh Wunder, mein Blick hellt sich oft auf, wird randscharf und störungsfrei.
Manchmal braucht es auch Durchlichtungen. Heckenscheren bieten sich da als Ritualwerkzeuge an. Gut ausgelichtet, weht Wind durch und fällt Licht ein. Ich lege mich dann gerne hinter den ausgeschnittenen Busch und lasse mich durchlichten, durchwinden, besonnen. Das wird allerdings eine Frühjahrsaktion.
Ich finde es seltsam, was mir so einfällt, kurz vor den Rauhnächten. Bücher aussortieren und Regale durchlichten, das war gestern, statt der Hecken. Ich werde es schon brauchen.