Von Schraten aus aller Welt, insbesondere Katzenschraten

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Ein bisschen was aus der Schrateforschung.

Sehr interessante Schrate gibt es in Japan. Dort heißen sie Yōkai. Es sind Wesen, die teils Züge von Tieren und Menschen haben. Viele verstehen sich aufs Gestaltwandeln. Für Menschenwesen sind sie oftmals undurchschaubar. Yōkai tauchen in der japanischen Mythologie zahlreich auf und zu diesen übernatürlichen Wesen zählen in Japan auch alle aus westlichen Mythologien, wie unsere Schrate. Die Schrate sind also Yōkai.

Je weiter sich die Menschen von ihren alten schamanischen Wurzeln entfernen, von ihrer Wildnatur, desto mehr werden diese Wesen fremd, angstmachend, dämonisiert. Aus den vielen Informationen will ich einen Faden herausnehmen, der neutral ist oder von der besonderen Kraft dieser Wesen erzählt.

Es gab immer schon PortraitmalerInnen der geheimnisvollen Yōkai oder Schrate. In der Edo-Zeit beispielsweise Toriyama Sekien. In dieser Traditionslinie stehe ich dann wohl.

Katzenschrate gehören zu den tierischen Yōkai. Ihnen werden oft magische Kräfte zugesprochen. Wenn sie ihre Gestalt wandeln können, heißen sie Hengeyōkai. Sie nehmen oft Frauengestalt an oder andersrum, Frauen werden zu Katzen oder Füchsen. Wie die Kitsune, Füchse, die heiligen Tiere von Inari, der Fuchsgöttin. Als solche sind sie Glücksbringerinnen. Immer wieder finde ich die Verbindung von Tieren, übernatürlichen Wesen, Frauen, Verkörperungen von wilden Naturkräften, von einem sehr ambivalenten Verhältnis zu diesen Wesen und Kräften. Sie entziehen sich der Kontrolle, der Ordnung, dem Herrschaftsbereich der Menschen. Sie sind unbequem, sie fordern besondere Weisen des Umgangs, Beherztheit, eigene Wildnisfähigkeiten. Dann werden sie, wenn sie möchten, hilfreiche, unterstützende Wesen. In Japan haben Menschen und Füchse einstmals eng zusammengelebt. Sie können fliegen, Illusionen erzeugen und je älter sie sind, desto machtvoller werden sind.

Ich habe sogar so verrückte Schrate gefunden wie die Tsukumogami, welches ganz normale Haushaltsgegenstände sind, die zu ihrem hundersten Geburtstag lebendig werden. Ab dann sind sie ein Strohsandalen-Schrat oder ein Teekessel-Schrat. Sowas Abgefahrenes wäre mir gar nicht eingefallen. Und doch taucht genau das bei den „Schamaninnen, Hausfrauen und anderen Merkwürdigen“ auf.

Manchmal scheint der Tanz mit den Schraten, den Yōkai wie ein absurder Traum. Es hat was Groteskes, Verrücktes. Yuki Onna ist eine geheimnisvolle Schneefrau, die den Tod bringen kann oder Sterbende hinüberbegleitet. Eine eindrückliche Sequenz gibt es in Kurosawas Film „Träume“. Da ist Yuki Onna zu sehen. Ob Yoko Ono was damit zu tun hat? Zu den Yōkai gehört auch eine Berghexe, mit der nicht zu spaßen ist und einige sehr bizarre Wesen. Manche tun scheinbar nur Unsinniges, wie Moskitonetze zerschneiden.

Unter den Yōkai gibt es einige Katzenwesen. Die Geisterkatze Kaibyō, die Bakeneko oder die Glücksbringerin Maneki-neko. Sie ist die Winkende Katze, die es tausendfach als Figur gibt und die in Häusern, Restaurants und Läden steht, um das Glück herbeizuwinken. Sie ist die Wiedergeburt der Göttin der Gnade, Kannon. Es gibt auch den Tempel der winkenden Katzen. Im Kabuki-Theater wird die Bakeneko traditionell weiblich dargestellt. Die Verbindung von Katze, Frau, Gestaltwandel, Tod und Feminismus erzählt für mich von einer uralten Geschichte, in der alle Kräfte in Verbindung waren, in der Menschen verbunden waren mit der Wildnis, mit den wilden, schönen Landstrichen ihrer Seele, mit dem Tod, mit der wildweisen Närrinkraft. Die Nekomata entspringen den Hauskatzen. Wenn diese sehr alt oder sehr gewichtig geworden sind, können sie Nekomata werden. Sie sind zauberkundig, verwandeln sich manchmal in alte Frauen und haben mehrere Schweife. Nekomata hat man sich seit der Edo-Zeit sogar tätowieren lassen und auf Kleidern abgebildet.

Im Shinto wurden Katzen verehrt, die Nekogami. Sie schützen die Hauskatzen, im Diesseits und im Jenseits. Zahlreiche Shinto-Schreine sind der Katzengottheit geweiht, es gibt Steinstelen und Grabstätten. Die in den Schreinen verehrten Katzengottheiten sind auch die Hüterinnen der Zeit.

Ob Bastet sich zu den Schraten zählen würde? Bei Gottheiten ist das ja so eine Sache. Katalina hat ganz große Ohren bekommen, als sie von Katzentempeln und Schreinen gehört hat und dem Zauberkundig-Werden mit zunehmendem Alter. Dann könne das mit dem Fliegen doch noch klappen und das wären doch rosige Aussichten.