Die Macht der Sprache

Wortmagie weiß um die Macht der Sprache. Ihrer bedienen sich viele. Neue Begriffe tauchen auf, wenn eine Geschichte neu- oder umgeschrieben werden soll. Dann bekommen die Geschehnisse Wortzuschreibungen und oftmals eine ganz bestimmte Geschichte verpasst. Sie werden damit vielleicht sogar in Wortgefängnisse gesteckt. Das passiert, wenn viele bereitwillig und unhinterfragt vorgegebene Geschichten und Zuschreibungen übernehmen. Durch die Geschichten formt sich die Wirklichkeit – innen und außen. 

Wer bestimmt, welche Wörter welche Bedeutung haben? Wie sprechen wir über etwas? Zum Beispiel über Viren. Was für eine Geschichte gibt es zum Miteinander von Viren und Menschen auf dieser Erde? Erzählen wir von  Viren als uralten Wesenheiten mit hoher Intelligenz, mit denen wir immer schon leben, wie mit Haustieren oder Nachbarn oder welchen in der Wohngemeinschaft und die wir mal besser kennenlernen sollten zwecks zukunftsfähigem Zusammenleben? Oder geht es ums Bekämpfen? Gibt es eine Kriegssprache, eine neutrale oder eine versöhnliche Sprache samt den dazugehörigen Narrativen?

Lassen wir uns nicht wortenteignen. Wieso sollte jemand Macht über unsere Sprache haben und dadurch unsere Meinung und unsere Gefühle kontrollieren? Es steht uns zu, die Worthoheit im eigenen Sprachfeld zu haben. Gehörtes, Gelesenes kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. Schmeckt es süß oder bitter, undefinierbar, wie eine Wortpraline oder zum Ausspucken greisslig? Letzteres spuckt man am besten wirklich aus, bevor es Magendarmprobleme gibt.

Dem Leben und der Sprache in der Vielfalt Raum geben, dem Paradoxen, dem Widersprüchlichen, in gleicher Gültigkeit. Sprachvielfalt. Wortmündig sein. Sprachschöpferisch werden. So lösen wir uns aus den Monokulturen der Geschichten. So werden festgeschriebene Wörter, Worte und Geschichten wieder freigelassen und dürfen fliegen. Sie werden aus ihren Wortgefängnissen befreit und verlebendigt. Nur so lässt sich die kollektive Geschichte lebensdienlich umschreiben.

Alltägliches und Wortmagie. Weil ich gerade vieles loslasse und ausräume habe ich nach einem Wort gesucht. Ausmisten war das denkbar unglücklichste, weil es kein Mist ist, den ich weggebe. So verwende ich das Wort „auslichten“. Es gefällt mir, es bringt frische Luft, wie beim Auslichten von Pflanzen, es dient dem Wachstum. Dieses Wort lässt mich anders darauf schauen, es gibt Kraft und das Helle kommt dazu. Die Materie geht, es wird lichter.
Die Bezeichnung für mein Tun ist ausschlaggebend gewesen, dass ich es mit anderen Augen sehe und beflügelter tue. Manchmal gelingt es, wortmagisch eine neue Geschichte zu schreiben. Mit dem Wort „auslichten“ erzähle ich viel lieber davon, es ist sanfter. Das Gehenlassen geschieht mehr im Frieden. Es ist kein Kahlschlag, sondern es ist behutsam, sorgfältig, überlegt. Ich glaube, dass es deshalb so ist, weil das Wort selbst diese Qualitäten in sich trägt.

Und dann noch was Gesprochenes zu Wortsamen aus meinem Buch „Die schamanische Kraft im Alltag“.