Der Schrättl-Talk war die Einladung an Schrättlein, uns für eine Zeit zu bewohnen. Wir haben ihnen unsere Stimme, unsere Körper geliehen. Spiegelnd sind sie in Resonanz gegangen zu unserer inneren Clownin. Sie sind in dem Moment aufgetaucht, als wir so weit waren, mit unseren Identitäten zu spielen und über uns zu lachen, an dem wir mit unseren Schatten getanzt haben, an dem wir lachend unseren Wahrheiten begegnet sind, die sonst unter den Tisch gekehrt werden (natürlich nicht allen). „Was ist, darf sein, …“. Ein Ja zu meiner Wahrheit, auch, wenn sie mir nicht gefällt, sie getanzt, gelacht. Da wird Lebensenergie frei. Das war so eine Art Tribut, den wir der heiligen Clownin gezollt haben. Das nächste Wegstück war frei. Ein Blick auf die innere Clownin war möglich.
Wir alle haben sie in uns. Sie ist so eigen und einzigartig wie wir Menschenwesen. Poetisch oder ruppig-unverblümt, leidenschaftlich, derb oder skurril, fein oder gröber, bewegt, zart, wild oder verspult, gelb oder grün oder rosa. Auf der Reise ins Land der Närrin zeigt sich die innere Clownin, Inner Fool, immer deutlicher. Diese Clownskraft in uns ist pur, direkt, sie gehört zum wahrsten und wildesten, zum unzivilisiertesten Teil von uns. Sie bringt das Lachen, sie sieht den Witzkern der Geschichten, sie weiß um den großen kosmischen Witz. Sie ist aufrichtig, komisch, unverbogen. Sie spielt keine Rolle, sie IST es. Sie wohnt in uns, auch wenn es erstmal so scheinen könnte, als spiele sie sich von aussen her. Manchmal ist die Reise zu ihr lange und mühsam und immer lohnt sie sich. Es ist die Findung einer Urkraft. Eine Clownspersönlichkeit, ein Närrinwesen wohnt in uns, das sich zeigen wird, wenn wir auf die Reise gehen. Es wird eine Liebesbeziehung zum Lachen werden, das uns hinter die Angst trägt. Hindurchlachen durch die Angst vor Lächerlichkeit, vor Beschämung oder Strafe. Das Lachen ist mächtig und die Mächtigen fürchten es. Weil es die Angst aushebelt. So wie die Angst der Gegenpol zur Liebe ist, so kann der Humor die Angst antidotieren und wieder zum anderen Pol führen.
Der Schrättl-Talk war eine Reiseetappe von Mea, Inga und mir, bei der wir ein Stück mehr von der eigenen Clownin erfahren haben. Wie sie spricht, wie sie sich bewegt, was sie zu sagen hat, wie sie ihren Humor tanzt. Für uns mittlere bis ältere Frauenwesen ist der Humor nährend, wenn es beispielsweise um die Körperebene geht. Wir sprechen von schütteren Silberhaaren, Falten, Leibesfülle, Zahnwildnis, Doppelkinn, Augenringen und Ähnlichem. Die Clownin sagt: Hinschauen, es befühlen, es lachend tanzen. Das wäre die Kür. Beim Hinschauen hilft ein Zehnfach-Spiegel, das ist auch eine Clowninmethode, es lupenartig vergößern. Noch nicht einmal unsere heilige Sprit Maggie steht da drüber. Das Äußere ist ihr nicht so ganz wurscht und deshalb braucht sogar sie den Humor.
Alle Menschen werden scheitern im Aufhaltwahn des Prozesses Altwerden. Wir können ihn leugnen, bekämpfen, beweinen oder anerkennen. Es bindet unterschiedlich viel Lebensenergie, in der Sache ändert es nichts. Wenn es eng wird in mir auf dem Weg durch die Irrlichterzonen der Medienbilder von Schönheit und Alter, dann führt mich die Clownin gut. Optikgespenster flackern umher wie lächerlich dastehen, die komische Alte, unpassend gekleidet, ein bisschen zerfleddert, schäbig, ungepflegt, altmodisch, zopfert, ungeschminkt greißlich … bitte weiter ergänzen, alles, was so richtig gut kommt.
Und dann, als Abenteuer, als Mutprobe, als No-risk-no-fun-Geschichte genau so unterwges sein, zum Einkaufen, zur Arbeit, zum Bummeln oder sonstwohin. Gut, das geht nicht. Gar nicht. Etwas zurückfahren, ein kleines Fitzel aus dem Sortiment ausprobieren. Ran an die Kleiderschränke unserer Mütter und Väter (unbedingt beim gleichen Geschlecht bleiben, sonst könnte es kultig werden und das wollen wir vermeiden!). An den Schrank meiner Mutter – wie wollte ich niemals rumlaufen? Es ist ein El Dorado für dieses Abenteuer, wir werden sicher fündig. Mir ist alles zu klein, die Blusenknöpfe platzen fast, Hochwasserteile, zopferte Muster und Farbkombis, tonnenartige Röcke. Die Schuhe sind bequem, die Jacken warm, ich werde für viele unsichtbar, obwohl die Seidenstrümpfe schnell Laufmaschen haben. Wenn ich jetzt wirklich – WIRKLICH – „egal“ sagen kann, „scheiß drauf“, weil ich ja aus Bayern komme, wenn ich mich immer noch schön und lebendig fühle, wenn die Aussenspiegel keine Bedeutung haben und das Lachen bei mir ist, ja dann …
Fotos melissa messerschmidt | mjphotography