Eine meiner großen Inspirationsquellen ist nachwievor das Supermarkt-Stehcafé im Nachbardorf. Dort bekommt meine Fünfzehnprozentclownin wertvolle Spielimpulse. Und die Neunundvierzigprozentnärrin bekommt Narrare-Nahrung. Ich gehe gerne an Orte, an denen Ungeheuerliches geschehen könnte. Dort erahne ich die geheimen Geschichten und erzähle sie mir. Narrare (erzählen) – wir erinnern uns. Der Supermarkt mit dem Stehcafé ist so ein Ort. Da komme ich Vielem auf die Spur, auch sehr aufregenden, bisweilen gefährlichen Geschichten, was zu einem äußerst abenteuerlichen Leben führt.
In jedem Regal liegen Geschichten. Sie stapeln sich. Es gibt Geschichten in den Ebenen dazwischen und welche, die sich aus all den Wörtern, dem Radio, den Etiketten und Gesprächsfetzen ergeben. Man kann die Geschichten pflücken, sie schwirren in den Gängen herum. Andere dösen in Obstkisten. Du landest hier ständig in irgendwelchen abenteuerlichen Geschichten.
Zum Beispiel eine bisher ungeklärte Geschichte. Es fängt um diese Jahreszeit wieder an. Immer, wenn es Vogelfutter zu kaufen gibt. Seit Tagen beobachte ich Bauarbeiter und ich spüre, es sind keine wirklichen Bauarbeiter. Es ist die Soko Sperling. Sie sitzen da, als würden sie Brotzeit machen und dabei beobachten sie den Behälter mit Vogelfutter und die Leute, die scheinbar harmlos zum Einkaufen gehen. Warum? Weil immer eine Tüte mit Vogelfutter aufgeschlitzt ist. Ein bisschen nur, so, dass etwas herunterrieselt und die Spatzen dann zum Picken kommen. Das geht seit Jahren so. Ich ahne, wer es ist, Edeltraud The Ripper. Sie schleicht sich fast unsichtbar an den Tüten vorbei, zieht ihr Messer und ratsch macht es. Die Soko Sperling ist auf sie angesetzt, bisher erfolglos. Ich beobachte das Geschehen weiter, aus so einem Stoff entstehen dann einmal Weltkrimis.
Dann gab es da diese Begegnung mit den Zwergen. Sie tauchen immer im Pulk auf. Dann binden sie ihre Tiere vor dem Supermarkt an und bis auf eine gehen sie zu Fuß weiter. Es könnten Schrättlein sein, die so tun, als seien sie KInder, obwohl sie gar keine sind. Das polka-dotted Pferd spricht dafür, dass es Schrättlein sind und auch das Gesamtverhalten. Sie wollen kein Süßzeug und lesen jedes noch so blöde Werbeblatt. Das können keine KInder sein. Sie betasten und schauen und sprechen kaum. Jemand meinte, es könnten Waldkindergartenkinder auf einem Supermarktausflug sein, eher als Schrättlis. Aber hätten die so ein Pferd? Das ist ja gar nicht waldtauglich. Wir konnten uns nicht einigen und wollten nicht fragen. Schrättlein würden uns einen Schmarrn erzählen und KInder wollten wir mit den Fragen nicht verstören. Also muss es vorerst bei der offenen Geschichte bleiben.