Unterwegs als …

Als wer bin ich im Weltgeschehen unterwegs?

So oft wie seit einem Jahr bin ich wohl noch nie im Sturm gestanden – Stürme von Zorn und Antwortlosigkeit, von Empörung und Hirnverknotung, Auf-nix-mehr-Lust-Strecken und immer wieder Seelenmüdigkeit. 

Ein merkwürdiger Zauberschalter ist die meiner Rolle. Damit gelingt es, den Schalter umlegen (zumindest relativ oft, wenn ich mich daran erinnere).

Was, wenn ich eine Medizinfrau wäre und für die mich umgebenden Menschen, für mein Dorf, für die Wege unserer Gemeinschaft zuständig wäre? Was, wenn das mein Beruf, meine Aufgabe wäre. Da gehe ich schlagartig in eine ganz andere Haltung und bin mit anderen Kräften, einem anderen Feld verbunden. Eine andere Sicht und Weisheit steht in mir auf als Medizinfrau, ganz von selbst. Und ich bin hellwach und ganz da, ich schaue anders in Augen und bleibe ruhig. Weil es ja blöd wäre, wenn die Medizinfrau trudelt und hinten und vorne nicht weiß, was hilfreich ist, ihren Frust zelebriert und sich verweigert. 
Jetzt bin ich ja keine klassische Medizinfrau und dennoch hilft mir diese Haltung, um in meiner Kraft zu bleiben. Was, wenn wir unsere Medizin in uns aufstehen lassen und ganz aus ihrem Feld heraus da sind und agieren? Und uns das Ritualgewand imaginieren, wie die Schaman*innen und damit über die Schwelle gehen in unsere Medizinkraft-Aufgabe, in diese „Rolle“. Vielleicht nehmen wir unsere Insignien in die Hand und spüren die königliche Seite unserer Medizingabe. Dann nimmt die Heilerin in der U-Bahn ihren Platz ein und die Seherin ihren in einer Vorstandsverhandlung. 

In der Begegnung mit Menschen in ihrer Medizinkraft stellt es mich gleich auf und in die Kraft und Zuversicht. Vor kurzem durfte ich Zeugin sein, als eine Frau im Supermarkt kurz ihre Augen schloss und danach als eine andere da war. Das war magisch und ganz unglaublich kraftvoll. Einen Hauch von Lächeln hat sie mitgebracht, ein Leuchten und wenn ich eine Heilerin gebraucht hätte, dann wäre sie meine Wahl gewesen. Vorher ist sie mir kaum aufgefallen.     

Wenn wir den Faden weiterspinnen, dann führt es tief hinein in das Feld des Heilens, des Schamanischen. Denn Schaman*innen, Medizinleute, Heiler*innen, Seher*innen waren und sind immer schon wichtig, um Veränderungen und Übergänge zu begleiten. Von einzelnen, von ihrer Gemeinschaft, in schwierigen Zeiten, durch Notengen hin zu einem neuen Land, zu neuen Ausrichtungen, in heilsamere Ordnungen, in ein tieferes not-wendiges Verständnis von Leben. Und das mit der Unterstützung ihrer Spirits. In unserer Zeit sind alle gefragt als Medizinleute, sind alle von Bedeutung im Boot auf dem Fluss des Lebens.

Was, wenn wir eine zu uns passende Haltung einnehmen und uns in die Traditionslinie all der Medizinleute und Schaman*innen, der Weisen Frauen stellen und alles einspeisen, was wir zu bieten haben an Medizin, an Kreativität, an Mut für neue Wege. 

Ich frage immer mal Freundinnen, wer sie sind als Medizinleut. Eine ist eine Dorfhexe, eine andere ist eine unsichtbare Heilerin, die Herzfäden webt. Eine Clownfrau verkauft in der Bäckerei und ich meine, dass sie ganz bewusst in die Brottüten etwas von ihrer Medizin legt. Damit sie mich bedient, warte ich gerne mal länger, ihre Medizin tut mir gut. Eine singende Medizinfrau kenne ich auch und die großartigen Kinderseelenhüterinnen. Die Spiegelschamanin der Schatten und der Potenziale – die machtvolle Visionär*in – die kunstmagische Närr*in – die heilende Poet*in – die Feuergras-Totems, die das erste frische Grün als Nahrung geben, wenn die Erde verbrannt ist … 
Was passt am besten zu uns, wer sind wir als Medizinleut?

Es ist ein spannendes Forschungsprojekt, zu dem ich so gerne einen Austausch am Feuer hätte.