Geschichten als Geschenke, Bilder, Antworten
Wir sehen etwas Besonderes, Eindrückliches. Wir betrachten und erforschen es ganz genau und dadurch verinnerlichen wir es, machen es uns zu eigen, werden es vielleicht sogar. Dann berichten wir davon. Wir tragen ein Bild davon zu jemand, tragen es in die Welt, indem wir es beschreiben. Wir können innere Bilder tragen wie Blumen, wie Geschenke, wie Samen. Mit diesen Bildern können wir Materie verändern. Das ist im besten Falle magische Poesie.
Weil ich so bezaubert bin von meiner Katze Elsa und sie gerne beobachte und anschaue, kenne ich mittlerweile jeden Zentimeter ihres Körpers, ihre Blicke, ihre Bewegungen, alles. Ich berühre sie, mag den Geruch der Erde auf ihren Pfoten, wenn sie zum ersten Mal nach Schnee riecht beim Hereinkommen oder den feinen anderen Duft im Frühling. Je nach Sonneneinstrahlung ändert sich die Fellfarbe. Ich weiß, wann sie ganz klein wirkt und wann wie eine große Katze. Ich erzähle viel von ihr und deshalb kennen sie viele, obwohl sie ihr noch nie begegnet sind. Sie ist für manche wie eine gute Bekannte. Sie wird gemocht, man hat sie vor dem inneren Auge, weil ich Bilder von ihr durch die Geschichten zu anderen trage, weil ich ihrem Sosein Worte gebe, weil ich viele Elsa-Blumen zu den Leute bringe.
So machen wir es mit Vielem, so wortbezaubern wir. Ich bekomme viele Wortzauberblumen geschenkt und manche Leute können die Welt und die Geschehnisse so köstlich und magisch beschreiben und mich auf Reisen mitnehmen, dass es eine wahre Freude ist.
So geschieht es in der Erzählkunst, dem Storytelling. Wir können erzählend wandern, ohne Grenzen, ohne Zeit. Wir können Bilder erschaffen, sie aus der Vergangenheit wachrufen und welche von der Zukunft schaffen. Wenn ich meine, dass etwas belebt werden soll, erzähle ich davon, kreiere Wortbilder. Vielleicht hat es diese Wortblumen und Wege noch nie zuvor gegeben, mit neuen Lösungen und unerwarteten Wendungen. Spätestens mit meiner Geschichte gibt es sie. Sie können ein Lächeln auf ein Gesicht zaubern oder ein staunendes Blitzen in die Augen.
Geschichtenerzählende sind gerne in lebendiger Verbundenheit mit ihrem Gegenüber, egal, ob es ein Mensch ist, ein Baum, ein Tier oder ein Fluss. Sie antworten, es wäre jedenfalls gut, wenn sie die Fähigkeit dazu hätten, die ability to response. Sie sind im besten Fall verantwortungsvolle Bewohner*innen dieses Planeten. Sie lassen sich gestalterisch und antwortend auf die Welt ein. Sie antworten den Herausforderungen. Sie kennen ihre Ver-antwort-ung. Geschichten als Antworten, so wie es oftmals die Ältesten im Rat, im Council machen, vor allem, wenn es dringende Fragen sind, die tragfähige Antworten benötigen. Dann sind Geschichten das Mittel der Wahl.